Murnau-Werdenfelser Rind

seit 2020 im Bestand

Meine beiden Murnau-Werdenfelser Rinder "Heaven" und "Lydia".
Meine beiden Murnau-Werdenfelser Rinder "Heaven" und "Lydia".
"Heaven" wurde am 04.11.2015 geboren und kam am 18.09.2020 aus dem Bayerischen Wald zu uns an die Ostsee.
"Heaven" wurde am 04.11.2015 geboren und kam am 18.09.2020 aus dem Bayerischen Wald zu uns an die Ostsee.

Herkunft & Verbreitung

Das Murnau-Werdenfelser Rind wurde ursprünglich sehr wahrscheinlich von den Klöstern Ettal und Murnau aus Kreuzungen zwischen Oberinntaler Vieh und Braunvieh herausgezüchtet. Das Oberinntaler Vieh wurde aus dem Tiroler Inntal eingeführt. Diskutiert wird die spätere Einkreuzung von Graubündener und Montafoner sowie zur Festigung der Gelbfärbung von Ellinger Vieh. Eine exakte Klärung der Entstehung und Herkunft konnte allerdings bis heute trotz modernster Genanalysemethoden nicht geliefert werden.

Bekannt wurde das Murnau-Werdenfelser Rind vor allem durch seine starken und arbeitswilligen Zugochsen, die sich die Rasse im Süden Bayerns rasch weit verbreiten ließen und die Haupteinnahmequelle der meisten Betriebe waren. Allerdings waren die Murnau-Werdenfelser Arbeitsochsen derart beliebt, dass oft die am besten entwickelten Kälber kurzer Hand zur Ochsenaufzucht kastriert wurden. Diese führte bei der Zucht vielerorts immer wieder zu Einkreuzungen vor allem verschiedener Braunviehschläge.

1898 wurde ein Zuchtverband gegründet, mit dem Ziel das Murnau-Werdenfelser Rind als Rasse zu vereinheitlichen. Starke Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die anzustrebende Zuchtrichtung ließen diesen Versuch allerdings scheitern. 1901 kam es zur Gründung des „Zuchtverbandes für einfarbiges Gebirgsvieh in Oberbayern“. Dieser betreute neben dem Murnau-Werdenfelser Rind allerdings auch das Braunvieh. Trotzdem kam es in den folgenden Jahren zu einem erfreulichen Zuchtfortschritt, sodass auf dem Zentrallandwirtschaftsfest 1904 in München 5 von 16 Tieren ausgezeichnet werden konnten. Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkriegs gab es knapp 5000 Herdbuchtiere. Während des Krieges wurde der weitere Fortschritt der Rasse stark gehemmt. Auch die 20er und 30er Jahre geprägt von Seuchenausbrüchen und Weltwirtschaftskrise setzten der Zuchtarbeit schwer zu. Trotz Absatzproblemen hielten viele Züchter an den Murnau-Werdenfelsern fest. Eine 1927 durchgeführte Zählung im Zuchtgebiet brachte es immerhin auf 30.000 Individuen, so auch im Jahr 1936. 1952 wurde dann ein eigenständiger „Zuchtverband für das Murnau-Werdenfelser Vieh“ gegründet. Dies konnte aber den Niedergang der Rasse in den 1960er und 70er Jahren nicht aufhalten. Zunehmende Motorisierung der Landwirtschaft und wesentlich leistungsstärkere Rassen entzogen den Murnau-Werdenfelsern die  wirtschaftliche Daseinsberechtigung. So schrumpften die 1970 noch 60 vorhandenen Herdbuchbetriebe bis 1975 auf 6 zusammen.

Glücklicherweise konnte mit Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 7.200 Spermaproben von 9 Stieren aus 3 Linien (ROEMER, BERG und RAUDI) sowie 30 Embryonen kryokonserviert werden. Zudem hält der bayerische Staat eine Mutterkuhherde als Genreserve.

Da aufgrund der geringen Tierzahl mit nur wenigen teils sehr eng verwandten Linien den Murnau-Werdenfelsern starke Inzuchtdepressioen drohten, entschieden sich die Züchter Ende der 1980er Jahre Sperma der phänotypisch sehr ähnlichen französischen Rasse Tarentaise in der Zucht mit einzusetzen. Mit dem Bullen ROEXAR wurde erstmals ein Bulle mit 12,5 % Tarentaiseanteil über mehrere Jahre in der künstlichen Besamung eingesetzt. Auch heute noch ist Bullensperma mit 1,5 bis 56,3 % Tarentaiseanteil erhältlich.

Das heutige Hauptverbreitungsgebiet liegt bei Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald. Es gibt nur wenige Tiere außerhalb Bayerns.

 

Bestand

Den Höchststand erreichte die Rasse 1896 mit ca. 62.000 Tieren. Im Laufe des 20. Jahrhunderts ging es jedoch immer weiter bergab bis 1984 nur noch um die 250 Murnau-Werdenfelser Rinder übrig waren.

Dank intensiver Zuchtarbeit in Verbindung mit verbraucherwirksamer Öffentlichkeitsarbeit konnte sich der Bestand leicht stabilisieren. 2018 standen 420 Mrunau-Werdenfelser im Herdbuch, davon 17 Stiere.

 

Die Rasse ist in Kategorie I (extrem gefährdet) laut der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. eingeordnet.

"Lydia" wurde am 03.08.2017 geboren und kam ebenfalls am 18.09.2020 zusammen mit ihrem Kalb "Leni" vom Kochelsee zu uns in den Norden.
"Lydia" wurde am 03.08.2017 geboren und kam ebenfalls am 18.09.2020 zusammen mit ihrem Kalb "Leni" vom Kochelsee zu uns in den Norden.

Kennzeichen

Das Haarkleid des Murnau-Werdenfelser Rindes ist stets einfarbig, unterschiedliche Schattierungen sind möglich, nicht aber Scheckungen. Die Färbung reicht von einem hellen Semmelgelb über kräftiges Ziegelrot bis hin zu dunklem Rotbraun. Stiere der einzelnen Farben sind stets dunkler und können fast schwarz sein. Insbesondere semmelgelbe und dunkle Tiere weißen in der Regel einen roten Stirnschopf und ebenso gefärbten Aalstrich auf. Bei rotbraunen Vertretern ist der Aalstrich nur durch Aufhellung kontrastiert. Innen- und Rückenseiten der Gliedmaßen sowie der Euterspiegel sind aufgehellt. Dunkle Schattierungen an verschiedenen Körperstellen vor allem im Kopfbereich sind insbesondere bei roten Tieren möglich. Kälber kommen gelbrot bis ziegelrot zur Welt und dunkeln innerhalb eines halben Jahres nach. Dunkle Schattierungen stellen sich meist erst nach einem Jahr ein.

Nasenspiegel, Klauen, Haare der Schwanzquaste, Augenlider und Zunge sind immer dunkelgrau bis schwarz pigmentiert. Das schwarze Flotzmaul und die dunklen Augenlider sind hell umrandet.

Bei den Kühen verlaufen die Hörner meist gerade nach außen, dann aufwärts und nach vorne gebogen. Bei Bullen sind sie viel kürzer und gerade nach außen verlaufend. Allen Murnau-Werdenfelsern ist die typische Hornfärbung gleich, die an der Basis weißlich-gelb und im letzten Drittel zur Spitze hin abrupt schwarz ist.

Ausgewachsene Stiere erreichen ein Gewicht von 850 bis 950 kg, Kühe kommen auf 500 bis 600 kg.

 

Leistungen

Aufgrund der immer wieder schwierigen Situation fehlt es der Rasse an konsequenter Selektion auf Leistungsmerkmale, insbesondere in heutiger Zeit. Das erklärte Zuchtziel ist die Erhaltung der Rasse. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war das Murnau-Werdenfelser Rind ein typisches Dreinutzungsrind: Arbeit, Milch und Fleisch. Die einst stark gefragte Arbeitsleistung der bereits erwähnten Zug- und Gangochsen spielt heute keine Rolle mehr. In gegenwärtiger Zeit handelt es sich um eine Doppelnutzungsrasse für Milch und Fleisch, die vielfach aber auch nur in Mutterkuhhaltung (ohne Milchleistungsprüfung) gehalten wird.

Die Milchleistung gemolkener Kühe liegt heute bei rund 4.500 kg/Jahr mit 3,75 % Fett und 3,36 % Eiweiß. Zumeist erfolgt die Fütterung ohne größere Mengen Kraftfutter und Maissilage. Es gibt aber auch Kühe mit Spitzenleistungen von über 6.000 kg/Jahr und Lebensleistungen von über 70.000 kg. Murnau-Werdenfelser weisen in Bezug auf die Milchproteine die höchste genetische Vielfalt unter allen Rinderrassen auf. Zudem ist sie ausgesprochen käsereitauglich.

Die Schlachtausbeute der Jungbullen erbringt etwa 59 % mit 70 % Fleischanteil.

 

Besonderheiten

Das Murnau-Werdenfelser Rind zeichnet sich durch Vitalität, Genügsamkeit und Langlebigkeit aus. Bemerkenswert sind die harten Klauen und die hohe Belastbarkeit der Gelenke, wodurch dieses Rind sich besonders für feuchte, moorige Standorte mit rauem Klima und hohen Niederschlagsmengen eignet. Auch steile Weideflächen sind kein Problem.

Das Murnau-Werdenfelser Rind ist die einzige autochthone Rinderrasse Bayerns. Auch heute noch ist es kaum aus seinem angestammten Zuchtgebiet heraus verbreitet mit einigen wenigen Ausnahmen. Eine weitere Verbreitung wäre im Interesse der Rasse wünschenswert. Global grassierende Tierseuchen können kleinen Beständen in zudem sehr begrenzten Verbreitungsgebieten schnell zum Verhängnis werden.